Es ist eines der aktuellen Themen im Suchmaschinenmarketing: Holistisch. Aber was bedeutet die Idee von abgestimmten SEO- und SEA-Maßnahmen für Unternehmen in der Praxis? Unser Geschäftsführer Wolfgang Schilling erläutert bei HORIZONT die Wechselwirkungen und drei Strategien.
Ob bei Google, Bing, Amazon oder anderen Suchmaschinen: Organische und bezahlte Ergebnisse kämpfen gleichermaßen um die Aufmerksamkeit der User auf den Suchergebnisseiten. Es liegt auf der Hand, dass Suchmaschinenoptimierung (SEO) und -werbung (SEA) ganzheitlich, also holistisch, gedacht werden sollten. Doch welche konkreten Konsequenzen ergeben sich in der Anwendung?
Das hängt in erster Linie von der Strategie ab, die die einzelnen Marken verfolgen. Aus unserer Sicht gibt es drei Szenarien im Einsatz des holistischen Search Marketings, die wir am Beispiel der Google-Welt aufzeigen möchten. Bevor wir strategische Überlegungen anstellen, müssen wir uns jedoch die Wechselwirkungen beider Marketingdisziplinen vor Augen führen.
Sowohl ein SEA-Manager, als auch ein SEO-Consultant haben Interesse an leistungsstarken Websites mit Inhalten, welche die Bedürfnisse der User optimal erfüllen. Und beide Seiten bringen komplementäre Fähigkeiten, Knowhow und Erfahrungen ein, um dieses Ziel zu erreichen.
Die SEO-Sicht: Content-Erstellung für Suchmaschinen und User
Die Produktion von Website-Content liegt bei den SEOs. Sie versuchen in erster Linie, eine Seite so aufzubauen, dass sie für Suchmaschinen auffindbar ist und für relevante Begriffe möglichst weit oben auf der Suchergebnisseite erscheint. Die harte SEO-Währung ist das organische Ranking. Wie gut eine Seite aus SEO-Sicht wirklich ist, zeigt sich daher erst nach mehreren Monaten. Denn bis die Website ihre volle Performanceleistung erreicht, vergeht ungefähr ein halbes Jahr. Erst dann kann verlässlich bewertet werden, wie die Suchmaschine die Seite bewertet, wo die Seite organisch rankt und ob nachgebessert werden muss.
Hinsichtlich der Nutzererfahrung, die eng mit dem organischen Erfolg verknüpft ist, stehen dem SEO-Manager, mit Hilfe von Google Analytics/Google Tag Manager, bereits früher Werte zur Verfügung. Dort können Qualitätshinweise wie Aufenthaltsdauer, Absprungrate, Scrolltiefe sowie das Klickverhalten der Seitenbesucher eingesehen werden. Solche Kennzahlen geben uns ein Gefühl dafür, ob das Userbedürfnis auf unseren Seiten erfüllt wird.
Die SEA-Sicht: Performancestarke Keywords und Landingpages
Auch der SEA-Spezialist ist bestrebt, dem User eine konkrete Antwort auf seine Suchanfrage zu liefern und sein Bedürfnis zu befriedigen. Googelt ein User beispielsweise nach einem Käsekuchen, wird er unzufrieden sein, wenn auf der Landingpage eine Quiche Lorraine auftaucht – obwohl es sich ebenfalls um einen Kuchen mit Käse handelt. Um die Relevanz der Landingpage und somit auch die Nutzererfahrung zu bewerten, bietet Google Ads dem SEA-Manager mit der „Nutzererfahrung mit der Landingpage” einen wichtigen Indikator, der dem SEO-Consultant in dieser Form nicht zur Verfügung steht.
Google Ads weist auf Keywordebene aus, ob die Nutzererfahrung unterdurchschnittlich, durchschnittlich oder überdurchschnittlich ist. Wenn die Usererfahrung mit der Landingpage von Google als unterdurchschnittlich bewertet wird, dann sollte sie optimiert oder eine geeignetere Website verlinkt werden. Laut Google ist die Nutzererfahrung mit der Zielseite ein Schätzwert dafür, wie relevant und nützlich die Zielseite für den Nutzer ist, der auf eine Anzeige klickt. Aus welchen Komponenten sie genau berechnet wird, verrät Google nicht. Anhaltspunkte liefert die Suchmaschine jedoch: Zum Beispiel wird berücksichtigt, ob der Inhalt der Landingpage mit dem beworbenen Keyword übereinstimmt. Auch Usability-Elemente und Ladezeiten spielen eine Rolle. In Summe ist die „Nutzererfahrung mit der Landingpage” ein hilfreicher Wert, um die Zugänglichkeit und Qualität einer Landingpage in Bezug zu einem bestimmten Keyword zuzuordnen.
SEO und SEA können sich gegenseitig beflügeln
Die Nutzererfahrung ist ein Indiz, dass auch dem SEO-Team bei der Seitenoptimierung hilft – lange, bevor der Erfolg einer Seite über das Ranking verlässlich bewertet werden kann. Während die Userintention im Käsekuchen-Fall offensichtlich ist, gibt es im Alltag immer wieder Situationen, in denen unsere SEA-Ergebnisse bislang verborgene Erkenntnisse liefern, von denen wir im SEO lernen können.
Umgekehrt profitieren wir auch im SEA vom Knowhow und der Arbeit der SEO-Kollegen. Denn wie gesagt liegt die Content-Optimierung in SEO-Händen. Je besser die Inhalte einer Seite auf ein bestimmtes Nutzerbedürfnis zugeschnitten sind und dieses erfüllen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer besseren Nutzererfahrung und eines höheren Qualitätsfaktors, was sich wiederum positiv auf die Klickkosten in der Suchmaschinenwerbung auswirken kann.
Von starken Webseiten profitieren also alle Parteien: Das organische Ranking (SEO), die Performance von Kampagnen (SEA) und vor allem der Nutzer. Aus den genannten Wechselwirkungen ergeben sich drei Strategien für das holistische Search Marketing.
1) Maximale Präsenz durch Vollgas im SEA & SEO
Bei strategisch wichtigen Keywords macht es Sinn, sowohl im organischen, als auch im bezahlten Ranking Präsenz zu zeigen. Der Wettbewerb wird verdrängt, der User kommt am Angebot der Marke nicht vorbei. Ein ideales Szenario, das natürlich Geld (Werbebudget im SEA) und Zeit (Ressourcen im SEO) in Anspruch nimmt. Beide Maßnahmen können jedoch, wie beschrieben, voneinander profitieren und in der holistischen Bearbeitung schneller ein besseres Ergebnis erzielen, als in der isolierten Ausführung.
2) Kosteneinsparung im SEA durch starkes SEO
Im zweiten Szenario können SEA-Kosten für Keywords eingespart werden, bei der eine Marke im organischen Ranking stark ist. Die Idee dahinter ist die, dass sich der bezahlte Traffic auf den prominenten, organischen Eintrag verschiebt. Ein spannender Gedanke, der leider nicht immer realisierbar ist. Denn Wettbewerber können uns die User über bezahlte Einträge abgraben.
Der romantische Gedanke, dass User bezahlte Ergebnisse bewusst vermeiden und auf den ersten organischen Eintrag warten, hält der harten Realität meistens nicht stand. Gerade im mobilen Bereich befinden sich organische Ergebnisse zunehmend „below the fold“. Das heißt, es muss gescrollt werden, um den ersten organischen Eintrag zu finden. Die Bequemlichkeit veranlasst viele Nutzer, dies zu vermeiden und lieber auf die Anzeigen zu klicken – zumal viele Suchenden den Unterscheid zwischen bezahlten und organischen Einträgen vermutlich gar nicht kennen.
Im folgenden Beispiel sehen wir, dass zum Zeitpunkt der Suche keine Anzeige für das Keyword „Käsekuchen“ erschien und ein organischer Eintrag von Chefkoch direkt im Sichtfeld erscheint (links). Um zum ersten organischen Treffer bei der Suche nach „schuhe“ zu gelangen, muss ein User hingegen weit scrollen (rechts).
Bei der Strategie „Kosteneinsparung“ ist also Vorsicht geboten, die Aktivitäten der Wettbewerber und der Traffic sollten stets mit Argusaugen beobachtet werden. So lange der organische Eintrag die bezahlten Klicks größtenteils auffängt, ist das natürlich ein Best Case, bei dem das SEA-Budget auf andere Keywords verschoben oder eingespart werden kann. Sobald ein Konkurrent allerdings auf das Keyword „käsekuchen“ bietet, um in unserem Beispiel zu bleiben, geht Chefkoch vermutlich viel vom kostenlosen Traffic verloren.
3) Schnelle Markteinführung neuer Themen und Seiten
Bis neue Seiten ihre volle SEO-Kraft entfalten und eine Chance auf Top-Plätze haben, vergehen meist mehrere Monate. Das kann zu lange sein, wenn ein Unternehmen ein wichtiges, aktuelles Thema kommunizieren möchte. Das können zum Beispiel White Spots sein: Themen, für die eine hohe Nachfrage besteht, aber noch wenig Wettbewerb auf den Suchmaschinen stattfindet. Profitieren können hier vor allem große Marken, die auf Grund des Trusts ihrer Seiten die Chance haben, kleine Domains zu verdrängen, die das Thema bereits behandeln. So könnte ein Supermarkt beispielsweise schnell reagieren, um Aufmerksamkeit für sein neustes Produkt, der Backmischung für einen „veganen Käsekuchen“, zu generieren.
Die Trend-Keywords können über SEA erfolgreich besetzt und anschließend nachhaltig über SEO abgedeckt werden. Das Schöne an der Geschichte: Die Erkenntnisse der Suchmaschinenwerbung können wie oben beschrieben laufend in die SEO-Optimierung der Zielseite fließen. Wenn die Seite im organischen Ranking eine Top-Position erklommen hat, kann darüber nachgedacht werden, das SEA-Budget zu reduzieren oder auszusetzen.
Holistisches Reporting über automatisierte Dashboards
Das Monitoring von SEO- und SEA-Rankings findet naturgemäß über unterschiedliche Tools statt. Im Google-Kosmos arbeiten SEOs beispielsweise mit der Search Console, um die organischen Erfolge zu beobachten. Die SEA-Spezialisten hingegen bewegen sich in Google Ads. Um beide Ergebnisse zusammenzuführen und die Rankings effizient im Auge zu behalten, müssen neue Lösungen her. Eine Möglichkeit ist der Export der Daten via API-Schnittstelle. SEA- und SEO-Kennzahlen werden anschließend zusammengeführt und visualisiert, zum Beispiel über das Google Data Studio.
Auf diese Weise können die Ergebnisse auf automatisierten Dashboards schnell überblickt und Zusammenhänge verfolgt werden, ohne ständig zwischen beiden Systemen hin und herzuwechseln. Denn eines sollte klar sein: Bei allen Vorteilen, die durch den holistischen Ansatz entstehen, kostet die Abstimmungsarbeit zwischen SEO- und SEA-Teams auch Zeit.
Lohnt sich holistisches Search Marketing?
Um zurückzukommen auf unsere Eingangsfrage, ob sich holistisches Search Marketing lohnt, die Antwortet lautet: Ja. Wie sich der Benefit für Unternehmen jedoch niederschlägt, hängt stark von der jeweiligen Situation ab. Je nach Zielsetzung können Unternehmen ihre Dominanz auf den Suchergebnisseiten der Suchmaschinen ausbauen, die Gesamtsichtbarkeit über alle Produktbereiche hinweg verbessern oder gar Budgets effizienter allokieren. Ob in Zeiten, in denen sich organische Ergebnisse auf mobilen Endgeräten zunehmend „below the fold“ schieben, aus Kostengründen auf SEA verzichtet werden sollte, ist fraglich. Meistens macht es mehr Sinn, die Kompetenzen und Erkenntnisse aus beiden Fachbereichen zu vereinen, um jeweils optimale Ergebnisse zu erzielen. Wenn wir unser Wissen und auch belastbare Daten von beiden Disziplinen zusammenlegen, um das gemeinsame Ziel zu erreichen, resultiert das in einer optimalen Nutzerfahrung. Holistisches Search Marketing führt dann zu qualitativ hochwertigen Seiten und Kampagnen, die ein klares Nutzerbedürfnis befriedigen – was sich positiv auf die organischen Rankings sowie die Performance unserer SEA-Kampagnen auswirkt.