Die Suchmaschinenwerbung (SEA) und der zugehörige Google-Kosmos haben sich zu einer hochkomplexen Landschaft entwickelt. Wer den User im richtigen Moment mit der passenden Botschaft erreichen will, muss seine Kampagnen strategisch planen. In diesem Beitrag erfahren Sie, welcher SEA-Kanal in welcher Phase der Customer Journey Erfolg verspricht.
In unserer zweiten Episode werden wir konkret und stellen vor, welche Daten und Targetingoptionen es bei Google gibt, um den User genau im richtigen Moment zu erreichen.
Monika, 23, wohnt in einer Studenten-WG in Münster. Sie treibt gerne Sport und geht ins Kino, legt großen Wert auf ihre Unabhängigkeit sowie Mobilität. So könnte die Persona einer potentiellen Kundin eines Sportreiseveranstalters aussehen. Personas gehören in Marketingabteilungen so wie Popcorn ins Kino. Sie stellen einen Prototyp für eine Gruppe von Nutzern oder Kunden mit konkreten Eigenschaften und Verhaltensweisen dar. Personas geben einer Kundengruppe ein konkretes Gesicht und helfen Marketern dabei, die Bedürfnisse und Entscheidungen ihrer Kunden besser zu verstehen.
Während Personas im klassischen Marketing dabei helfen, sich in Kunden hineinzuversetzen und ein Gefühl für passende Werbeumfelder zu bekommen, hilft uns das Persona-Prinzip im SEA nur bedingt weiter. Zwar werden soziodemografische Merkmale wie Alter oder Geschlecht und auch Interessen von Google erfasst. Welche Werte und Einstellungen eine Person besitzt oder welchen Hobbies sie nachgeht, erschließt sich uns aber nur bedingt. Wie gelingt im Suchmaschinenmarketing trotzdem eine zielgerichtete Ansprache des Users im „moment that matters“?
Zielpersonen anhand ihres Online-Verhaltens identifizieren
Im Falle der Suchmaschinenwerbung (SEA), die ein zentraler Baustein im Online-Marketing vieler Unternehmen ist, geben sich Zielgruppen in erster Linie anhand ihres Online-Verhaltens zu erkennen. Im Google-Universum offenbaren sich uns drei Dimensionen, einen potentiellen Kunden zu erkennen: Erstens über die konkreten Suchanfragen, die eine Person stellt. Zweitens über das Such- und Surfverhalten, das eine Person an den Tag legt. Drittens über Interaktionen mit dem Werbetreibenden, zum Beispiel dem Besuch auf der Unternehmenswebsite. Anhand dieser drei Ebenen lässt sich recht klar ermitteln, für welche Themen sich eine Person interessiert, mit was sie sich beschäftigt und ob sich das Werben um ihre Gunst lohnen könnte. Um bei unserem Eingangsbeispiel zu bleiben: Wenn Monika nach Sportreisen googelt, sich auf YouTube Vlogs über Mountainbike-Touren auf Mallorca ansieht und sich womöglich auch noch auf der Website des Sportreiseveranstalters informiert, sollte dieser aktiv werden und versuchen, Monika von seinem Angebot zu überzeugen.
Während die Interaktion mit einem Unternehmen ein leicht zu interpretierendes Signal für Interesse an einer Marke und ihren Produkten ist, müssen wir beim Suchverhalten und bei den Suchanfragen genauer hinschauen, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. Eine extrem wichtige Information verbirgt sich hinter der Frage, wie nah ein potentieller Kunde bereits an einer Kaufentscheidung ist. Je nach Zielsetzung hängt das Timing unseres Werbeengagements und die Art und Weise maßgeblich von diesem Umstand ab.
Das AIDA-Modell und die Customer Journey
Um den Kaufentscheidungsprozess abzubilden, möchten wir uns im Folgenden am AIDA-Modell orientieren. Es ist ein klassisches Werbewirkungsmodell, das die Kaufentscheidung in vier Phasen unterteilt. In der Attention-Phase wird um die Aufmerksamkeit eines potentiellen Kunden gebuhlt, um dessen Interesse für eine Marke und seine Produkte zu wecken (Interest). Über das Werbeversprechen wird in der dritten Phase ein Informationsbedürfnis oder Besitzwunsch ausgelöst (Desire), der zu guter Letzt zur Interaktion oder zum Abschluss führt (Action). Die vier Phasen können sich überschneiden und werden in der Regel als gleich wichtig angesehen. Sie basieren auf psychologischen Erkenntnissen zu Wahrnehmungsprozessen von Kommunikation.
Wenn Online-Marketer von der Customer Journey sprechen, meinen sie die Reise eines potentiellen Kunden über verschiedene (messbare) Touchpoints, bis er eine bestimmte Zielhandlung durchführt – zum Beispiel eine Terminvereinbarung, einen Vertragsabschluss oder Kauf. Zu den möglichen Berührungspunkten zählen sämtliche Werbekanäle sowie der direkte Besuch auf der Webseite des Unternehmens. Die Customer Journey verläuft im idealtypischen Fall anhand der vier AIDA-Phasen, wobei der Einstieg in den „Funnel“ nicht immer am Anfang erfolgt. Bei Low-Involvement-Produkten wie zum Beispiel Zahnstochern ist das Informationsbedürfnis vor dem Kauf deutlicher geringer als bei High-Involvement-Produkten wie einem neuen Auto. Dementsprechend macht es bei Zahnstochern wenig Sinn, bereits in der Attention- oder Interest-Phase um den Kunden zu werben.
Die Customer Journey im SEA berücksichtigen
Suchmaschinenwerbung scheint auf den ersten Blick sehr einfach zu sein: Bei thematisch relevanten Suchanfragen muss ein Werbetreibender präsent sein, um alle potentiellen Kunden abzuholen. Ganz so einfach ist es aber nicht. Die Bedürfnisse der Suchenden und die entsprechenden Suchbegriffe unterscheiden sich je nach Position innerhalb der Customer Journey stark. So sucht Monika womöglich nach „Reiseziele Sporturlaub“, wenn Sie sich erst einmal über mögliche Reiseziele informieren möchte. Hingegen können wir eine konkrete Buchungsabsicht unterstellen, wenn Monika nach „Sportclub Mallorca buchen“ sucht. Wenn wir die unterschiedlichen Bedürfnisse hinter Suchanfragen nicht berücksichtigen, riskieren wir hohe Streuverluste in unserer Ansprache.
Ob ein Reiseanbieter für Sportfans bereits in der Informationsphase seine Visitenkarte hinterlassen möchte und Monika Antworten auf ihre grundlegenden Fragen liefert, oder erst im Falle einer konkreten Kaufabsicht auf den Plan treten möchte, bleibt ihm überlassen. Branding kann bereits in frühen Phasen der Customer Journey erfolgen, wohingegen die Chance auf Konversion naturgemäß in späteren Phasen steigt. Das Vorgehen des Werbetreibenden kann je nach Branche, Produkt und der Strategie des Unternehmens variieren, sollte jedoch kalkuliert sein. Wichtig ist in jedem Fall, dass alle vier Phase mit bestimmten Bedürfnissen verbunden sind und die Anzeigen mit zugeschnittenen Texten und Landingpages aufwarten müssen, um zu punkten.
Das Google-Universum: Vom Suchnetzwerk bis YouTube
Um eine effektive SEA-Kampagne aufzubauen und unsere Ziele zu erreichen, müssen wir die richtigen SEA-Kanäle & Features zum richtigen Zeitpunkt einsetzen. Google hat ein schlagkräftiges Ensemble an Kanälen aufgebaut, an dem User im Web kaum vorbeikommen. Je nach Zielsetzung sind die verschiedenen Kampagnentypen mehr oder weniger gut für Werbetreibende geeignet. Bevor wir eine Empfehlung über den strategischen Einsatz der einzelnen Features geben, möchten wir sie kurz und knapp vorstellen:
- Suchnetzwerk (Search): Traditionelle SEA-Anzeigen sind Textanzeigen, die nach Eingabe eines Suchbegriffs auf den Ergebnisseiten von Google erscheinen. Als Pull-Maßnahme ist das klassische Suchmarketing nach wie vor unersetzlich und profitiert vom hohen User-Involvement. Google hält weltweit 85 Prozent der Marktanteile auf mobilen Endgeräten (75 Prozent Desktop) und ist die unumstrittene Nummer eins der Suchmaschinen (Quelle: Statista).
- Google Shopping: Google Shopping gewinnt als E-Commerce-Kanal immer mehr an Bedeutung und wird von Google fieberhaft weiterentwickelt, um der drohenden Entmachtung durch Amazon entgegenzuwirken. Shopping-Anzeigen werden prominent im sichtbaren Bereich der Ergebnisseiten ausgespielt und geben dem User alle wichtigen Informationen über ein Produkt an die Hand. In ersten Tests von „Shopping Actions“ erlaubt Google in den USA und Frankreich sogar den direkten Kauf in den Suchergebnissen. Zentraler Faktor ist ein optimaler Produktdatenfeed als Input für Google Shopping Anzeigen.
- Google Display Ads / Google Display Netzwerk (GDN): Werbenetzwerke wie das GDN bieten mit ihren vielfältigen Anzeigentypen wie Text, Image- und Videoanzeigen ein breites Spektrum an Werbemöglichkeiten im Internet. Die Anzeigen werden nicht nur auf Google-Seiten selbst, sondern auch bei externen Publishern ausgespielt und durchdringen das gesamte Internet. Googles Displaynetzwerk besitzt eine enorme Reichweite.
- Remarketing: Remarketing (bzw. Retargeting) ist die zielgerichtete Wiederansprache von Nutzern, die bereits eine Interaktion mit dem Advertiser aufzuweisen haben. Remarketing ist einer der wirkungsvollsten Kampagnentypen mit hoher Erfolgsquote. Die Werbeanzeigen können sowohl als Textanzeigen im Suchnetzwerk, als auch in Gestalt von Displayanzeigen über das GDN ausgespielt werden.
- YouTube: Das Videoportal YouTube ist eine der größten Suchmaschinen der Welt und insbesondere bei jungen Zielgruppen sehr beliebt. Für Unternehmen wird es daher immer wichtiger, sich dort zu präsentieren. YouTube bietet neben einer Vielzahl an Werbeformaten auch breitgefächerte Targeting-Optionen. Ende 2018 nutzten 75 Prozent der deutschen User YouTube mindestens selten (Quelle: Statista).
- Gmail Sponsored Promotions: Werbekunden von Google können seit 2014 Sponsored Promotions in Gmail einsetzen. Es handelt sich um Anzeigen, die im Posteingang bei Gmail eingeblendet werden. Sie können Bilder, Videos oder eingebettete Formulare enthalten. Mit Sponsored Promotions lassen sich potenzielle Kunden persönlicher ansprechen. Gmail ist einer der beliebtesten Maildienste weltweit, in Deutschland nutzen immerhin 14 Prozent Gmail als Haupt-E-Mail-Postfach (Quelle: Statista).
Die Kanäle zum richtigen Zeitpunkt einsetzen
Wer bei all den Google-Kanälen den Wald vor lauten Bäumen nicht mehr sieht, dem sei geholfen: Jedes Feature hat seine Stärken und Schwächen und eignet sich mehr oder weniger gut für den Einsatz in einer bestimmten Phase der Customer Journey. Wer diese kennt, kann jeweils das passende Instrument auswählen und ein harmonisches Gesamtwerk kreieren.
Um in der Attentionphase zu punkten, eignet sich vor allem das Google Display Netzwerk. Hier möchten wir User erreichen, die noch keine Kaufabsicht hegen und im besten Falle ein Interesse und Bedürfnis für unser Angebot schaffen. Personen können in thematisch relevanten Umfeldern mit einer Marke kontaktiert werden und so schon früh in der Customer Journey geprägt werden, ohne dass sie bereits eine konkrete Suchanfrage abgeben. Ein Anbieter von Sportreisen kann Monika beispielsweise auf Basis ihres Interesses für Sport sowie Erlebnisreisen über Bannerwerbung auf Reiseblogs ansprechen.
Besteht bereits ein konkretes Interesse (Interest) oder gar das Verlangen nach einem Produkt oder einer Dienstleistung (Desire), machen sich viele Menschen auf die Suche über die Eingabemaske bei Google. Für Werbetreibende ist das die Chance, sich in diesem Moment über klassische Searchanzeigen zu präsentieren. Wenn der User bereits mit dem Unternehmen interagiert hat kann dabei mittels Remarketing in der Suche für diesen User gezielt mehr geboten werden.
Wenn Monika beispielsweise nach „Sporturlaub“ googelt, sollte unser Reiseanbieter ihr eine Textanzeige mit Sitelinks ausspielen, die einen Überblick über seine Sport-Reiseziele geben. Im E-Commerce kann sich auch die aufmerksamkeitsstarke Präsenz bei Google Shopping bereits in der Interest- und Desire-Phase bezahlt machen. Hat sich Monika bereits bei dem Werbetreibenden über Sporturlaube informiert, ist nun der richtige Zeitpunkt gekommen, um sie im Google Display Netzwerk erneut anzusprechen.
Am attraktivsten sind natürlich transaktionale Suchbegriffe in der Action-Phase, die ein konkretes Kaufinteresse signalisieren. Für Unternehmen heißt es nun: Money Time. Wer bereits in einer früheren Phase Eindruck beim User hinterlassen hat, geht mit Vorsprung ins Rennen. In der Actionphase sollten Unternehmen auf jeden Fall im Search und je nach Branche und Produkt auch bei Google Shopping präsent sein. Für Dienstleistungen ist Google Shopping leider nicht offen, ein Hersteller von Sportrucksäcken hingegen könnte eine Shopping Anzeige schalten, um Monika vom Kauf seines neusten Trekking-Rucksacks zu überzeugen. Zudem bietet Search Remarketing hohe Konversionschancen.
Strategischer Einsatz führt zu besseren Ergebnissen
Suchmaschinenmarketing ist schon lange nicht mehr nur der Pull-Kanal, in dem User einfach abgeholt werden, wenn sie eine Suchanfrage abschicken. Der hohe Wettbewerb, das Effizienzstreben der Advertiser und die Evolution des Google-Ad-Kosmos machen SEA heute zu einer kleinen Wissenschaft. Wer mit einer durchdachten Strategie aufwartet und die Klaviatur der Kanäle und Features richtig ordnet, kann sich die Komplexität zu Nutze machen und effiziente Kampagnen aufbauen. Eine wichtige Rolle spielt das Timing der Ansprache. Um die Aufmerksamkeit der User in Zeiten von omnipräsenter Werbebeschallung zu gewinnen, müssen wir ihn im passenden Moment mit der geforderten Information versorgen. Das geht nur, wenn wir wissen, in welcher Phase des Kaufprozesses er sich gerade befindet. Der User selbst und Google geben uns eine Vielzahl an Signalen an die Hand, die uns bei der Einordnung unterstützen. Wenn wir den User im „moment that matters“ erreichen, können wir unsere Streuverluste reduzieren und unsere ambitionierten Ziele erreichen.
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Checkliste: Basics einer strategischen SEA-Kampagne
- Definition der Ziele, die via SEA erreicht werden sollen
- Analyse der Customer Journey
- Selektion geeigneter Google-Kanäle und Features
- Operative Umsetzung der Kampagnen
- Monitoring aller relevanten KPIs
- Optimierung der Kampagnen, z.B. durch Budgetallokation
Anja Heinrich beschäftigt sich seit über zehn Jahren bei uns mit Suchmaschinenwerbung (SEA). Seit rund fünf Jahren leitet sie ein Team aus erfahrenen Spezialisten, dass die ad agents zu einer der größten SEA-Agenturen auf dem deutschen Markt macht.