Apple verschärft seine Tracking-Regeln, Firefox will folgen. Was bedeutet das für die Analyse der Nutzer und insbesondere für die Werbewirkungsmessung? Ist der Erfolg von Online Marketing weiterhin messbar?
So alt wie das Internet ist auch das Bemühen zu verstehen, wer die Inhalte konsumiert. Tracking heißt das Zauberwort, das seit Jahren mit Hilfe von Cookies durchgeführt wird. Unternehmen und Werbetreibende argumentieren, damit passendere Inhalte für die Nutzer und ihre Informationen mit weniger Streuverlusten bereitstellen zu können. Datenschützer bangen im Gegenzug um die Privatsphäre der Nutzer und beschwören Szenarien der totalen Überwachung herauf. Jetzt hat Apple eine Betaversion des neuen Safari-Browsers auf den Markt gebracht, der im Zuge von „Intelligent Tracking Prevention“ (ITP) die Cookies nach sieben Tagen automatisch löscht – und damit einen Aufschrei in der Marketingwelt ausgelöst. Was steckt dahinter und was sind die möglichen Folgen für die Messbarkeit im Online Marketing?
Die Kritik am Tracking
Cookies speichern Warenkörbe, Passwörter, die DSGVO-Zustimmung und geben Aufschluss über die Usability einer Webseite. Insofern ist der grundsätzliche Nutzen von Cookies unumstritten. Diskutiert wird dagegen immer wieder die Gefahr, mit der Cookie-Technik ohne Wissen oder Einwilligung des Nutzers Profile über seine Surfgewohnheiten zu erstellen. Diese erzählen viel über den Menschen dahinter: Von Alter, Geschlecht oder Interessen bis hin zu Religion oder Schulbildung. Das Problem liegt bei den unwissentlich erhobenen Daten bzw. Datenmissbrauch oder Datenkontrolle. Die Diskussion wurde insbesondere mit Einführung der DSGVO kontrovers geführt. Seit vergangenem Jahr müssen Unternehmen für das Setzen eines Marketing-Cookies, das nicht für die unmittelbare Ausführung der Webseite nötig ist, die Einwilligung des Nutzers einholen. Damit sollte der Tracking-Kritik begegnet werden. Apple jedoch geht diese Maßnahme nicht weit genug und löscht alle Cookies, auch solche, denen der Nutzer zugestimmt hat, in Zukunft nach sieben Tagen.
Ein großer Einschnitt. Reicht doch die Lebensdauer eines Cookies bisher von wenigen Tagen bis zu mehreren Jahren. Im Affiliate Marketing ist die Lebensdauer eines Cookies in der Regel 30 bis 90 Tage, ähnlich auch bei vielen anderen Marketingkanälen, wobei der Nutzer jederzeit alle Cookies löschen kann.
Cookie Löschung nach 7 Tagen – wo ist das Problem?
Der Markt für Online Marketing ist enorm. Über zwei Milliarden Euro wurden im Jahr 2018 in Online-Werbung investiert, ein Plus von sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wer sein Budget in Werbung investiert, der möchte wissen, ob sich diese Investition lohnt. Tracking ist die Basis dafür. Verschiedene Online-Marketing-Sparten und ganze Abrechnungsmodelle basieren auf der gezielten Useransprache und korrektem Nutzertracking. In der Suchmaschinenwerbung (SEA) wird der Erfolg von Kampagnen oft daran gemessen, wie viel Umsatz innerhalb von 30 Tagen mit einem User generiert wird, nachdem er auf eine Suchanzeige geklickt hat. Ähnlich stellt sich die Abrechnung im Display Marketing dar, im Affiliate-Kanal liegt die Cookie-Laufzeit oft sogar bei 90 Tagen. Wenn ein Cookie künftig bereits nach sieben Tagen gelöscht wird, dann kann der Nutzer nicht mehr wiedererkannt werden und der Umsatz wird der Anzeige oder Kampagne nicht mehr zugerechnet.
Das Problem der mangelnden Messbarkeit des Werbeerfolgs ist mehr oder weniger groß, abhängig vom beworbenen Produkt. Während Entscheidungsprozesse für niedrigpreisige Verbrauchsgüter wie Taschentücher oder Hundefutter in der kurzen Zeitspanne von sieben Tagen längst abgeschlossen sind, fallen Umsätze für Produkte mit längerfristigen Kaufprozessen durch unser Raster. Auch Retargeting-Kampagnen für die Wiederansprache von Besuchern oder der Nutzen von A/B-Tests sind durch die schnelle Cookie-Löschung beeinträchtigt. Für Werbetreibende und Performance Agenturen klingt das auf den ersten Blick nach einer ziemlichen Katastrophe.
Die Auswirkungen: Lassen wir die Kirche im Dorf
Tatsächlich ist es so, dass unsere Erwartungen an die Kampagnenergebnisse vor dem Hintergrund der Cookie-Löschung auf den Prüfstand gehören. Haben wir beispielsweise bisher eine Klickrate von 1 Prozent erwartet, so müssen wir dieses Ziel möglicherweise etwas reduzieren. Gerade bei Kampagnen mit Retargeting-Elementen oder bei hochwertigen Produkten mit längerfristigen Entscheidungsprozessen sollten niedrigere Erfolgsquoten eingeplant werden. Wenn die Marketingdienstleistung bei Agenturen eingekauft wird, so müssen bei variablen, d.h. erfolgsabhängigen Vergütungsmodellen, entsprechende Vertragsanpassungen vorgenommen werden. Grundsätzlich ist die Wirkung der Werbung nach wie vor gleich, lediglich die Zuordnung zu einer definierten Kampagne ist schlechter möglich. So wie auch Cross Device-Wirkungen oftmals mangelhaft erfasst werden.
2,6 Prozent weniger Conversions der Kampagne
Eine sehr gute Einschätzung der Auswirkungen im Einzelfall bietet die Betrachtung der Conversionentwicklung im Zeitverlauf. Als Beispiel haben wir die Kaufabschlüsse im „Google Merchandise Stores“ analysiert. Bei diesen Produkten finden dreiviertel aller Conversions am ersten Tag statt. Bis zum siebten Tag finden in Summe 84 Prozent aller Conversions statt oder anders ausgedrückt: 16 Prozent der Conversions würden bei einer Cookie-Löschung nach sieben Tagen nicht mehr der Kampagne zugeordnet werden.
Dieser Wert gilt für die Bewertung über alle Browser hinweg. Für das Google Konto gilt: Rund 16 Prozent der Nutzer verwenden Safari. In Summe sind also rund 2,6 Prozent der Conversions von der Cookie-Löschung bei Safari betroffen.
Relativ ähnlich stellt sich die Situation auch bei den meisten Konten unserer Kunden dar, die wir untersucht haben, wobei die Verbreitung von Safari in unseren Analysen deutlich niedriger ist. Wichtig ist es für jeden Werbetreibenden, das eigene Konto zu analysieren, denn je nach Produktart können Kaufentscheidungsprozesse kürzer oder länger sein.
Fazit
Beim Blick auf die Bedeutung der Änderungen im Gesamtkontext empfehlen wir: erstmal Ruhe bewahren. Die schnelle Cookie-Löschung betrifft bisher nur Safari-Browser, der mit einem Marktanteil von sieben Prozent in Deutschland aufwartet, wobei der mobile Anteil aufgrund des iPhones sicherlich markant höher und der Desktop-Anteil verschwindend gering ist. Gerade bei mobilen Käufen handelt es sich vielfach um einfache und eher günstige Produkte und die Verkaufszyklen sind kurz.
Wir empfehlen eine genaue Analyse des eigenen Werbekontos mit Hilfe von Google Analytics. Sie zeigt auf, mit welchen Auswirkungen in den Kampagnenergebnissen Sie rechnen müssen. Abzuwarten bleibt, wie die anderen Browser-Anbieter reagieren. Firefox hat bereits angekündigt, das Tracking beschränken zu wollen und auch Google experimentiert schon. Doch gerade bei dem Browser-Giganten Google sind weniger Auswirkungen durch Tracking Prevention zu erwarten, denn Googles Geschäftsmodell basiert auf Tracking und Erfolgsmessung.
Für Unternehmen, die große Auswirkungen durch schnelle Cookie-Löschung befürchten, bleibt noch die Prüfung von Alternativen zum Cookie-Tracking. Die gibt es, allerdings mit verschiedenen Nachteilen. Möglich sind beispielsweise Server-to-Server Plugins oder selbstgestrickte Lösungen zur Umgehung der kurzen Cookie-Laufzeit. Ob eine der Tracking-Alternative in Frage kommt, muss im Einzelfall geprüft werden.